"Verfassungsschutz durch Aufklärung"? Nein. Richtiger: "Fremdkörper in der Zivilgesellschaft"!

Als "ein Fremdkörper in einer offenen, pluralen, auf Transparenz und rationalen Diskurs unter Gleichen ausgerichteten Zivilgesellschaft" bezeichnete der Wissenschaftler Dr. Michael Kohlstruck den Geheimdienst Verfassungsschutz auf einer Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung am 22.3. in Potsdam. Und begründete dies mit der Sonderrolle eines Geheimdienstes, der weder seine Quellen offen legen muss, noch die Persönlichkeitsrechte zu wahren braucht. So eine Institution dürfe zwar zur Gefahrenabwehr Informationen sammeln, aber nicht an Schulen Bildungsarbeit durchführen. Seine Workshops und Planspiele in Schulklassen, bei Jugendfeuerwehren oder in Lehrerfortbildungen nennt der Brandenburger Verfassungsschutz verharmlosend Informationsarbeit oder Aufklärung. Dabei hat er "keinen Bildungsauftrag. Er darf als Nachrichtendienst und wegen seiner repressiven Praxis nicht zugleich auch als Bildungsakteur anerkannt werden."

Politische Bildung ist für eine Demokratie unerlässlich. Der zentrale Standard in der politischen Bildung wurde 1976 im Beutelsbacher Konsens festgelegt. Dort hatten sich sämtliche Träger und Experten politischer Bildungsarbeit auf drei zentrale Grundsätze geeinigt: politische Bildung darf Lernende nicht indoktrinieren, muss existierende Kontroversität darstellen und Lernenden die Möglichkeit geben, sich eine eigene Meinung über das Thema zu bilden. Inhalte sollen plural dargestellt und Standpunkte hinterfragbar sein. Die Herkunft der verwendeten Daten muss nachvollziehbar sein und Lernende dürfen nicht durch die Autorität der Lehrenden überwältigt werden. Der Brandenburger Verfassungsschutz kann diesen Ansprüchen als Bildungsreferent nicht gerecht werden.

Die repressive Praxis zeigte sich zum Beispiel in der Diffamierungskampagne des Brandenburger Verfassungsschutzes und CDU-Mannes Sven Petke gegen das Potsdamer Mehrgenerationenhaus Inwole e.V. im Jahr 2009. Ein Jahr später bezeichneten die Richter die Arbeit des VS wegen der Verleumdung des Jugendwohnprojektes Mittendrin e.V. in Neuruppin als tendenziös und unzulässig und das Gericht zwingt den Verfassungsschutz zur Löschung dieses Teiles im Bericht 2010. Auch im Bericht 2011 muss der VS seine Aussagen zum Jugendwohnprojekt Mittendrin e.V. revidieren. So wurden Neonazi-Aussagen ungeprüft in den Bericht übernommen. Sieht so die Information und Aufklärung der Öffentlichkeit aus? Das Brandenburger Innenministerium entschuldigte sich jetzt dafür. Der VS muss die entsprechende Passage löschen.

Unser Fazit: Nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung mag die Sache der Schlapphüte in Geheimdiensten sein. Aber der öffentliche Diskurs und die politische Bildung in der Demokratie sind eine Sache von Demokratinnen und Demokraten.

Die Thesen von Dr. Michael Kohlstruck sind hier nachzulesen: Kohlstruck-Thesen

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