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Buchtipp: „Rosa Luxemburg“ durch Dietmar Dath nahe gebrachtEs ist mal wieder Januar. Die erste größere Demonstration im Jahr steht diesmal am 9. Januar 2011 an: die traditionelle "LL-Demo", die Liebknecht-Luxemburg Demonstration, die immer in zeitlicher Nähe zum Jahrestag ihrer Ermordung am 19. Januar 1919 stattfindet. Über solcherart Traditions-Demonstrationen mag man unterschiedlicher Meinung sein. Aber sie geben Anlass, über das Ereignis vor fast 100 Jahren nachzudenken und zu fragen: wer war eigentlich Rosa Luxemburg? Bei der Beantwortung dieser Frage hilft die vor knapp einem Jahr im Suhrkamp-Verlag erschienene Biographie "Rosa Luxemburg", die Dietmar Dath verfasste. Wenn ich dieses kleine Büchlein in drei Worten beschreiben sollte, so wählte ich: kurzweilig, verständlich und politisch relevant. Das Buch gliedert sich in drei Kapitel: Leben, Werk und Wirkung. In dem Abschnitt "Leben" findet sich der Teil, den die Leser am ehesten erwarten, wenn sie eine Biografie lesen. Chronologisch geordnet werden die einzelnen Stationen Rosa Luxemburgs Lebens nachgezeichnet: geboren in Polen, später emigriert in die Schweiz, später nach Deutschland weitergezogen, Revolutionärin, politisch und theoretisch aktiv und einflussreich, Mitbegründerin der Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Ermordung am 19.Januar unter Beteiligung der SPD Regierung. Aufgewertet wird dieser Teil um ihre weniger bekannte Organisierungsgeschichte und angenehm zu lesen ist er, weil nicht alles aus einem Märtyrer-suchenden Blickwinkel rekonstruiert wird. Statt dessen nimmt Dietmar Dath die Perspektive eines Genossen ein und beschreibt ihr Leben, ihre Entscheidungen und ihre Beziehungen unprätentiös und nachvollziehbar. Wer über Rosa Luxemburg schon hier und da mal was gehört hat und von dem Personenkult und Märtyrertum, das um sie veranstaltet wird, sowieso genervt ist, der interessiert sich eventuell weniger für ihre Lebensgeschichte und mag dazu tendieren, das Buch hier wegzulegen. Aber das wäre ein großer Fehler! Dem genervten Leser ist unbedingt ein Überblättern oder vertrauensvolles Weiterlesen zu empfehlen, denn was unter den Kapiteln "Werk" und "Wirkung" zu finden ist, lohnt allemal. Im Kapitel "Werk" gibt Dietmar Dath einen umfassenden Überblick über die von ihr verfassten Schriften und Bücher und die von ihr angezettelten Diskussionen innerhalb der damaligen Linken. Das allein wäre schon wertvoll genug, aber Dath ist glücklicherweise geduldig mit dem unwissenden Leser und nimmt gleich noch eine zeitgemäße Einordnung ihrer Werke vor. So erfahren wir eben nicht nur, was Rosa Luxemburg geschrieben hat, sondern aus welchem Diskurs heraus ihre Positionen entstanden sind und wie sie sich damit in welchen Auseinandersetzungen positionierte und in diese intervenierte. Im Kapitel "Wirken" geht Dath dann den logisch folgerichtigen Schritt und analysiert, wie Rosa Luxemburg später aufgegriffen wird und wer sich auf welchen Teil ihres Wirkens wie bezog. Dieser Teil erklärt uns nicht nur, warum Rosa Luxemburg heute hochaktuell ist. Viel wertvoller fand ich die Analyse, warum sie - dazu eignen sich Märtyrerfiguren ja immer ganz gut - so gern miss-gelesen wird und als angebliche theoretische Referenz für Aussagen hergenommen wird, die sie beim genaueren Lesen so nie getroffen hat. Damit erweist uns Dath einen großen Dienst und erspart all denjenigen viel Recherche- und Theorie-Erarbeitung, die eine substantiellere Einführung in das Werk von Rosa Luxemburg suchen und sich fragen, welche theoretische Relevanz ihre Arbeiten heute haben könnten. -------- Dietmar Dath ist Schriftsteller und Übersetzer, hatte einst für die Spex, später für die FAZ geschrieben, schreibt gerade viele Bücher und ist fast immer ein guter Tipp. Unter anderem schrieb er auch "Maschinenwinter" oder kürzlich "Deutschland macht dicht", ein Buch das "ist wie Seepferdchen: very, very nice." (siehe: http://www.rosalievollfenster.de/)
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