Redebeitrag zur Demonstration "a lesson in history"

- Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus vom 11.Juli 2004 -

Die "Frundsberger" - so nennt manch Spremberger die Angehörigen der 10. SS-Panzerdivision "Frundsberg" vertraut. Die SS-Division wurde im April 1945, in den letzten Kriegswochen in die Region Cottbus / Spremberg verlegt und gemeinsam mit Teilen der Spremberger Bevölkerung von der Roten Armee beim nahegelegenen Kausche eingekesselt. Die SS-Einheit verweigerte eine Kapitulation und versuchte mitsamt der Zivilisten einen Ausbruch. Das Ergebnis war, dass nur wenige den Kessel von Kausche überlebten. Eine Legende hält sich seitdem hartnäckig in der Region. Sie sagt, die "Frundsberger" hätten die Spremberger gerettet.

Vernünftig klingt das nicht, aber der Spremberger Hobby-Historiker und CDU-Landtagskandidat Andreas Kottwitz hat trotzdem eine Begründung. In einem Leserbrief an die Lausitzer Rundschau meint er: "Die Masse der deutschen Soldaten (...) stritt bei Spremberg nicht mehr für 'Führer, Volk und Vaterland' (...). Den Geist dieser Panzerdivision bei Spremberg beseelte ein einzig nachvollziehbares Argument: Jede Stunde, um welche die Ostfront aufgehalten wird, ist eine Stunde Zeitgewinn für die Flüchtlingstrecks mit Frauen und Kindern im Hinterland und eine Stunde für die Amerikaner im Westen, weiter im Reichsgebiet vorzudringen." Auch für die Flucht vor der nahenden Roten Armee findet Kottwitz einen Grund, die Leute hatten nämlich "von der Berichterstattung ausländischer Zeitungen über 'grausige Spuren sowjetischen Terrors und Mordbrennertums'" gehört.

Man muss sich das mal vorstellen. Da ist diese Divison der Waffen-SS, eine Elite-Einheit Und die entdeckt auf einmal ihr Herz für die Zivilbevölkerung und erkennt, dass das mit dem "Führer" doch nicht so eine tolle Idee war. Und die Spremberger hören was von "ausländischen Zeitungen" - vermutlich aus dem Volksempfänger. Und sie wollen vor den Kampfhandlungen fliehen und denken sich: Ja, bei der SS-Truppe, da sind wir sicher, die haben ja bloß Panzer und anderes Kriegsgerät.

Nein, es wird nicht vernünftiger. Aber vielleicht schaffen wir es ja noch. Wir können davon ausgehen, dass diese "Frundsberg"-Division selbstverständlich eine SS-Einheit blieb, die zu ihrem "Führer, Volk und Vaterland" stand. Keine Kapitulation kam in Frage, trotz offensichtlicher Niederlage. Reste der Division kämpften bis in die letzten Kriegstage. Und wir können davon ausgehen, dass eine Bevölkerung, die "Schutz" bei der Waffen-SS suchte, ebenso wenig ein distanziertes Verhältnis zu "Führer, Volk und Vaterland" entwickelt hatte. Auch wenn die Toten im Kessel von Kausche sinnlos waren, ein unverschuldeter Schicksalsschlag war das nicht.

Das zu erkennen, ist eigentlich ganz einfach. Schwer zu verstehen ist es allerdings für die, die nicht von der Roten Armee befreit, sondern lieber von der Waffen-SS gerettet werden wollten. Schwer fällt es denen, die lieber von deutschen Opfern als von deutschen Tätern reden. Und schwer ist es für die, die grundsätzlich jede historische Tatsache um die deutsche Verantwortung für Krieg und Massenmord mit einem gleichmacherischen Befindlichkeitsbrei zupampen. Und für Kottwitz, der in seinem Leserbrief die Behauptung aufstellte: Seine "Tatsachen" verschwiegen "nicht die Kriegsverbrechen, welche im deutschen Namen begangen wurden, eine Auseinandersetzung hat daher immer beide Aspekte zu beachten, allerdings fällt diesbezüglich der Bezug auf Spremberg und auf die Division Frundsberg schwer." Nein, nie würde er Kriegsverbrechen verschweigen. Er nennt sie bloß einfach nicht und heroisiert stattdessen die SS-Division.

Wer ist dieser Andreas Kottwitz? Ein 30jähriger aus Spremberg. Kreisvorsitzender der Jungen Union in Spree-Neiße. Er kandidiert für die CDU zur brandenburgischen Landtagswahl im September. Er ist Mitarbeiter des CSU-Bundestagsabgeordneten Klaus Hofbauer. Und er hat ein Buch geschrieben, vor gut zehn Jahren. Es heißt "Spremberg ist Frontstadt" und ist regional ein Bestseller: mehrere Auflagen mit mehreren tausend Exemplaren. Das Buch ist quasi eine Langfassung des schon zitierten Leserbriefs. Kottwitz hat Guido-Knopp-mäßig die sogenannten "Zeitzeugen" befragt und daraus eine Geschichte gebastelt. Die Geschichte, die in Spremberg schon viele kannten - wir hatten das schon: die Frundsberger und die Spremberger und so.

Kottwitz fand Bewunderer und Förderer. So ist in der 95er Auflage des Buches ein Vorwort des Bundestagsabgeordneten Thomas Molnar zu finden. Der schreibt, ganz Fan, von einer "spannenden Erzählung". Kottwitz sei "unter der Schwelle geblieben, an der Geschichte ideologisch wird. Indem er einfach wiedergibt, was die Teilnehmenden gesehen und empfunden haben."

Wenn jemand meint, dass etwas nicht ideologisch ist, kann man in der Regel sicher sein, dass da ziemlich viel Ideologie im Spiel ist. Ideologie finden wir in dem, was die "Zeitzeugen" getan haben, was und wie sie gesehen und empfunden haben. Ideologie finden wir in dem, was sie erinnern und weitergeben. Ideologie finden wir in dem, was Kottwitz versteht und seinen Lesern zu einer Geschichte formt. Ideologie hat sicher auch einen Anteil an der Rezeption des Buches. Wir können uns ganz gut vorstellen, wie sich die Geschichten vom Empfinden ehemaliger SS-Angehöriger anhören. Wie sich die Geschichte derer anhören, die über Jahrzehnte an ihrem Opfermythos gebaut haben. Wie diese Geschichten gelesen werden in der Kleinstadt, in der Geschichte längst zur Legende geworden ist. Und wir können ganz sicher sein, dass es kein Zufall ist, wenn das Buch mit einem Zitat des nationalsozialistischen Reichsministers Graf Schwerin von Krosigk eingeleitet wird.

Ein weiterer Kottwitz-Förderer ist der Ex-Bürgermeister von Spremberg. Egon Wochatz, 67, ist heute Chef der CDU-Kreistagsfraktion und in letzter Zeit wieder mal ins Gerede gekommen. Auch er hat seine Beziehung zu den "Frundsbergern". Ehemalige der SS-Division treffen sich immer wieder in Spremberg. Junge Rechtsextreme sind auch dabei. Und Wochatz. "Jedes Jahr", sagt er selbst. "Historisches Interesse" führt er als Grund an und ja, die "Rechtsorientierten", wie er sie nennt, sind ihm aufgefallen. Besonderes Detail war in diesem Jahr, dass das SS-Ehemaligen-Treffen parallel zu den D-Day-Feierlichkeiten in Frankreich stattfand. Die Panzerdivision "Frundsberg" war auch in der Normandie und in Holland gegen die Alliierten eingesetzt.

Im Stadtbild erscheinen die "Frundsberg"-Freunde zwar als typische Senioren-Reisegruppe. Mit dem Auffrischen jugendlicher Erinnerungen haben ihre Treffen aber nichts zu tun. Sie kommen unter dem Label der SS-Division zusammen. Sie "ehren" ihre "gefallenen Kameraden". Sie besuchen mit jungen Rechten die Schlachtfelder von damals. Wer heute so auftritt, weiß was er da tut. Wer 60 Jahre später keine Distanz zu den Taten gewonnen hat, war auch damals kein irregeführter Jugendlicher.

Es ist in Spremberg bekannt, dass die "Frundsberg"-Treffen regelmäßig im Frühsommer und zum Volkstrauertag stattfinden. Ab und an hat sogar die Lausitzer Rundschau darüber berichtet. Eine wahrnehmbare öffentliche Empörung haben diese Treffen selbst bislang aber nicht ausgelöst.

Zu Wochatz' "Frundsberg"-Beziehung gehörte auch die Idee der Errichtung eines SS-Gedenksteins auf dem Georgenberg. 1998 hatte er mit Ehemaligen der SS-Divison "Frundsberg" verhandelt, die ihrer "gefallenen Kameraden" gedenken wollten. Sie stifteten einen Gedenkstein, der über Monate im städtischen Bauhof lagerte. Der damalige Bürgermeister Wochatz hatte keinen Anlass gesehen, irgendjemanden zu informieren. Erst durch eine Antifa-Recherche wurde der Vorgang bekannt und PDS, SPD und andere im Stadtparlament sowie der Landrat reagierten. Immerhin konnte fürs erste verhindert werden, dass der Stein aufgestellt wurde.

Nachdem ein SS-Stein nicht mehr einfach realisierbar war, hatte Wochatz 98 den Vorschlag gemacht, es müsse statt der bisherigen Inschrift einen sogenannten "neutralen Gedenkstein" geben "mit einer Inschrift, mit der allen deutschen Gefallenen der Schlacht um Spremberg und Kausche gedacht wird". Er wollte einfach nur den Namen der "Frundsberg"-Division weglassen. Damit setzte er eine relativierende Debatte über die eigentlich auf dem Georgenberg befindliche Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus auf dem Georgenberg in Gang. Diese hält bis heute an. Letzter Vorschlag darin war, dass Antifaschistische Denkmal durch die Namen einer Reihe von Opfern des Stalinismus zu ergänzen. Da die Stadtverwaltung keine Biographien dieser Opfer veröffentlichte, wurde erst durch einen Leserbrief in der LR bekannt, dass eine der Angedachten überzeugte Nationalsozialistin war. Eine offizielle Entscheidung zum Gedenkstein steht noch aus.

So ist Spremberg. Man kann es als national-konservatives Klima bezeichnen. Über Generationen halten sich Opfermythen und SS-Heroisierung. Stadtoffizielle und Vertreter politischer Parteien verkehren ganz selbstverständlich mit SS-Veteranen, für die die Stadt quasi Wallfahrtsort geworden ist. Wenige stören sich an den Kontakten von Alt-SS-lern und Neo-Nazis. Eine rechtsextreme Szene ist in der Kleinstadt etabliert.

Und selbst wenn Skandale wie die um Wochatz und Kottwitz in die √É‚Äìffentlichkeit kommen, ist die Empörung nur von kurzer Dauer. Die Herren sind in der Stadt etabliert. Und sie und ihr politisches Umfeld versuchen schlicht, die Sache auszusitzen.

Wir fordern:

Wir fordern eine Diskussion in Spremberg, die sich zum Ziel setzt, zur Beendigung jeglicher revisionistischer Geschichtsbilder beizutragen.

Wir fordern, das Ende jeglicher Treffen von SS-Veteranen und Neo-Nazis in der Stadt.

Wir fordern, dass sich die politisch Verantwortlichen in dieser Stadt mit rechtsextremen und revisionistischen Tendenzen in ihrem Umfeld auseinandersetzen und die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Wir fordern, dass jegliche Versuche, die Aussage und Widmung der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus zu verwässern, unterbleiben.

Kein Frieden mit Deutschland! Gegen den deutschen Opfermythos!