Dank eines massiven Polizeieinsatzes marschierte die NPD am 27.Januar in Frankfurt/Oder

Bericht der Autonome Antifa Frankfurt (Oder) zu den Geschehnissen am 27.Januar in Frankfurt (Oder)

Dank eines massiven Polizeieinsatzes marschierte die NPD am internationalen Holocaustgedenktag mit 180 Sympathisanten durch Frankfurt (Oder). 1500 Antifaschist_Innen und Bürger_Innen gingen dagegen auf die Straße, versuchten sich ihnen in den Weg zu stellen und konnten so eine Verkürzung der Route erzwingen. Eine Zusammenfassung der Autonomen Antifa Frankfurt (Oder) [aaffo] zu den Geschehnissen am 27. Januar in der Oderstadt.

Die Vorbereitungen.

Als Reaktion auf die durch Klaus Beier, Brandenburger Landesvorsitzender und Bundespressesprecher der NPD, angemeldete Demonstration hatte sich im Vorfeld ein breites lokales Bündnis zur Vorbereitung von Gegenaktivitäten gebildet. Diesem gehörten neben Parteien, Gewerkschaften, dem Oberbürgermeister, der Lokalzeitung, Vereinen, Student_Innen und dem Bund der Antifaschisten auch die Antifa Frankfurt (Oder) an. Die Koordination übernahm die Plattform gegen Rechts. Im Ergebnis verständigten sich die Bündnismitglieder_Innen im kleinsten gemeinsamen Nenner auf eine Kundgebung direkt an der Route der NPD. In dieser Breite der Beteiligten ein erfreuliches Novum für die Stadt. Hatte der Tenor der vergangenen Jahre doch immer gehießen möglichst Zuhause zu bleiben und die Nazis durch leere Straßen laufen zu lassen.

Da sich frühzeitig eine hohe Passivität des Bündnisses im Hinblick auf eine direkte Blockade der Nazidemo abzeichnete, meldete die [aaffo] an aussichtsreicher Stelle eine zusätzliche Antifa-Kundgebung an. Diese wurde wenige Tage vor dem 27. durch die das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) untersagt. Auf eine gerichtliche Anfechtung dieses Entscheides verzichteten wir aus taktischen Gründen.

Die lokale Mobilisierung gegen die Demonstration verlief sehr erfolgreich. Dies ist sicher der Empörung über die zahlreichen neonazistischen Aktivitäten der vergangenen Monate geschuldet, die ihren Höhepunkt in der Schändung des Gedenksteins für die zerstörte Synagoge am 9.November fanden. Großen Einfluss hatte auch die Breite des Bündnisses und die ausführliche Berichterstattung der Märkischen Oderzeitung (MOZ) zur NPD-Demo. Sehr erfreulich ist das neu entdeckte Engagement einiger Student_Innen die erstmals als wahrzunehmender Faktor die Gegenaktivitäten unterstützten. Eine schlechte Figur machte jedoch der ASTA der Universität Viadrina. Er hielt sich mit dem Verweis auf sein allgemeinpolitische Mandat komplett zurück. Die [aaffo] mobilisierte mit einem eigenen Aufruf, Flyern, Plakaten und über eine inforiot-Sonderseite vor allem auswärtige Antifas nach Frankfurt (Oder). Mit Kundgebungen vor lokalen Schulen erreichten wir zudem die Frankfurter Jugend.

Als die Zugkraft der lokalen Mobilisierung deutlich wurde geriet die NPD in Sorge um ihren Auftritt. Sie versuchte mit einer Unterlassungsklage gegen den Oberbürgermeister Martin Patzelt die Stadt daran zu hindern, die Koordinierung der Gegenaktivitäten voranzutreiben. Auch der kurzfristig für die Demonstration als Redner angeworbenen Vorsitzenden der NPD-Fraktion im Sächsichen Landtag, Holger Apfel, sollte helfen das Augenmerk der Szene auf die Veranstaltung zu richten und so mehr Gleichgesinnte nach Frankfurt (Oder) zu ziehen.

Mit der Zulassung einer langen Innenstadtroute hatte das Polizeipräsidium der NPD bereits ein großes Geschenk gemacht. Genehmigt waren zudem drei Zwischenkundgebungen der NPD auf der Strecke, die in Kombination mit der langen Route eine Demonstration von ca. vier Stunden bedeutet hätte.

Der Tag.

Bereits am frühen Morgen war klar, dass die Polizei jeglichen „zivilen Ungehorsam“ gegen den Demonstrationszug mit allen Mitteln unterbinden würde. In den Stadt waren über 600 Polizisten, ein Wasserwerfer und schweres Räumgerät sowie unzählige Zivilkräfte zusammengezogen worden. Die Kundgebung der Zivilgesellschaft war zur Straßenseite über 200 Meter eingezäunt worden. In anderer Richtung verstellten Polizeifahrzeuge den Weg. An der gesamten Route standen Polizeibeamte. Das übertriebene Aufgebot wirkte einschüchternd.

Bereits ab 9.00 Uhr führten 20 NPDler aus Fürstenwalde und dem Oderland in direkter Nähe zum CDU-Parteitag, an der Kreuzung Bahnhofstraße/ Heilbronner Straße, eine Mahnwache gegen die Brandenburger CDU durch. Gegen 10.00 Uhr begaben sie sich zur Auftaktkundgebung der NPD auf den Dresdner Platz.

Ab 8.00 Uhr versammelten sich angereiste und lokale Antifaschist_Innen und Frankfurter Bürger_Innen auf der zivilgesellschaftlichen Kundgebung, zu der unter anderem die Autonome Antifa Frankfurt (Oder) aufgerufen hatte, an den Lenné-Passagen. Trotz Eiseskälte und verschneiten Straßen folgten dem Aufruf bis zu 1000 Personen.

Während dessen versammelten sich 180 Nazis, welche überwiegend aus dem Oderland und Berlin angereist waren, auf dem Dresdener Platz in direkter Bahnhofsnähe. Angemeldet wurde der Aufmarsch, der sich vordergründig gegen den gleichzeitig stattfinden CDU-Landesparteitag richtete, unter dem Motto "„Deutschland ist abgeMerkelt! Brandenburg auch! Danke schönBOHM!“. Als Redner traten neben Klaus Beier und Holger Apfel auch Sebastian Richter (Lausitzer Aktionsbündnis und Leiter des Referats „Parteifreie Kräfte“ der JN) und Herr Wolf (NPD-Oderland) auf.

Kurz nach dem Start der NPD-Demo gelang es 150 Antifaschist_Innen mehrmals in der Heilbronner Straße auf die Route vorzudringen und die Straße mit Sitzblockaden zu blockierten. Die allgegenwärtigen Polizisten gingen sofort und ohne Vorwarnung äußerst gewalttätig gegen die Blockierer_Innen vor und begannen die Strecke zu räumen. Antifas wurden getreten, geschlagen und über die Straße gezerrt. Die angewanten Griffe der Beamten zielten offenkundig weniger darauf ab die Antifaschist_Innen vorschriftsmäßig auf den Gehweg zu tragen als diesen möglichst effektiv Schmerzen und Verletzungen zuzufügen. Dabei wurden mehrere Personen verletzt. Mindestens einem Blockierer wurden Knochenbrüche zugefügt die eine Operation erfordern. Der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) liegen mittlerweile mehrere Strafanzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung gegen eingesetzte Polizeibeamte vor.
Nachdem die Straße mehrmals geräumt wurde gelang es den Beamten in Höhe „Altes Kino“ zahlreiche Antifaschist_Innen einzukesseln. Daraufhin begaben sich Personen aus der sich in Sichtweite stattfindenden zivilgesellschaftlichen Kundgebung auf die Straße und versuchten erneut zu blockieren. Sie forderten die Bürger_Innen der Stadt auf Zivilcourage zu zeigen und sich an den Blockaden zu beteiligen. Leider hatten nur wenige den Mut über die Absperrgitter zu klettern, um auf die Route zu gelangen.

Währenddessen führte die NPD ihre erste Zwischenkundgebung an der Kreuzung Bahnhofstraße/ Heilbronner Straße durch. Von den Reden war dank lautstarkem Protest und einem Pfeifkonzert von Protestler_Innen kaum etwas zu verstehen. Obwohl der Einsatzleitung bekannt ist, dass die NPD ihre Kundgebungszeit deutlich überschreitet (um 100%) und damit ihre Versammlungsauflagen bricht, sehen die Beamten von einem vorzeitigen Abbruch der Kundgebung ab. Währenddessen werden an anderer Stelle der Route immernoch Antifaschist_Innen gewaltätig von der Straße geräumt.

Um 12.30 Uhr setzt sich der Demonstrationszug wieder in Bewegung. In der gesamten Heilbronner Straße werden die Neofaschisten von beiden Seiten mit einem Bombardement von Schneebällen begrüßt. Junge wie alte Leute greifen zum Schnee um ihrem Frust Ausdruck zu verleihen. Die NPD-Anhänger werden von einem Pfeifkonzert und antifaschistischen Sprechchören erwartet um ihnen deutlich klar zu machen, dass sie unerwünscht sind.
Bereits zu diesem Zeitpunkt verbreitete sich die Information, dass die Route der Demonstration erheblich verkürzt werden würde. Die NPDler sollten nicht wie angedacht über die große Müllroser Straße nach Altberesinchen gelangen, sondern schon die Ferdinandstraße nutzen. Dies lässt sich als Erfolg der Proteste werten.

Auch die zweite Zwischenkundgebung auf dem Universitätscampus wurde von Protesten und einer enormen Geräuschkulisse begleitet. Da die restliche Route zu diesem Zeitpunkt bereits komplett gesperrt war, gelingt es Antifaschist_Innen nicht mehr effektiv zu blockieren. Ein Herankommen war nur in kleinen Gruppen möglich die sich einer Vielzahl von Polizisten gegenüber sahen.

Erst am Bahnhof wurden die Nazis noch einmal mit einer größeren Menge an Schneebällen bedacht und mit dem Sprechchor "Nazis verpisst euch, keiner vermisst euch" verabschiedet. Um 13.30 Uhr erreichte die Demonstration wieder ihren Ausgangspunkt am Dresdner Platz.

Im Anschluss entschlossen sich ca. 150 Antifaschist_Innen ihren Unmut über die Festnahmen von Antifas sowie die Brutalität der Polizei bei den Räumungen der Blockaden durch eine Spontandemo vom Bahnhof zum Rathaus Ausdruck zu verleihen.

Der Ermittlungsausschuss meldete am Abend lediglich zwei Festnahmen von Antifas nach einer Auseinandersetzung mit Nazis. Durch die Intervention anwesender Rechtsanwält_Innen konnten die Festnahme weiterer Antifas verhindert werden. Die [aaffo] bedankt sich auf diesem Weg für die ehrenamtliche Arbeit der Jurist_Innen und des EA an diesem Tag.

Das Fazit.

Wir sehen die Ereignisse des Tages mit gemischten Gefühlen. Zunächst sind wir über die vergleichsweise hohe Anzahl an Antifaschist_Innen und Bürger_Innen erfreut, die sich trotz des Wetters auf die Straße begaben um gegen die Ewiggestriegen Position zu beziehen. Unsere Hoffnung ist, dass dieser Sinneswandel weg von einer Nur-nicht-hinsehen-Haltung sich in Frankfurt (Oder) fortsetzt.

Der Fakt, dass sich die Vertreter_Innen der Stadt nicht mit den Blockierer_Innen solidarisierten oder gar selbst an direkten Aktionen partizipierten, zeigt jedoch, dass die Reden, welche von ihnen im Vorfeld geschwungen wurden, reine Lippenbekenntnisse waren. Zwar forderte der Stadtverordnetenvorsteher Volker Starke in der Märkische Oderzeitung vom 12.Januar dazu auf den "öffentlichen Raum zu besetzen, um der NPD die Chance zu nehmen, eine große Demo durchzuführen" und die Abgeordneten verkündeten, dass sie sich dabei „an die Spitze setzen würden“. Aktiv wurden sie in dieser Richtung jedoch nicht. Sie ließen es zu, dass Antifaschist_Innen, welche ihren Protest durch ein friedliche Blockade zum Ausdruck gebracht haben, von der Polizei auf brutale Weise von der Straße geprügelt wurden. Wir hätten uns von den Bürger_Innen, aber vor allem von den Abgeordneten und Offiziellen der Stadt mehr Mut und Engagement gewünscht. Nur gemeinsam werden wir es schaffen der NPD die Luft zum atmen zu nehmen.

Unser besonderer Dank gilt den angereisten Antifas aus Brandenburg, Berlin und Sachsen die uns solidarisch am 27.01. zur Seite standen.

i.A. Sabine Schmäske

Autonome Antifa Frankfurt (Oder)