Die Yorex AG berichtet aus Iasi

Einige erinnern sich bestimmt noch an das erste Yorex Treffen im August 2008. Damals trafen wir uns mit über 40 linken Aktivistinnen aus Südosteuropa in Berlin. In den letzten 10 Monaten haben wir versucht weiter in Kontakt zu bleiben, was teilweise auch gut gelang. Fast schon regelmäßig waren wir in Novi Sad (Serbien) oder haben die Freunde von dort hier getroffezu einem Besuch nach Rumänien eingeladen wurden.

Das Land, das seit 2006 EU-Mitglied ist, war in der DDR durchaus ein beliebtes Auflugsziel. Der rumänische Sonderweg im Sozialismus war allerdings nicht gerade Sonnenschein: dem Präsidenten Ceaucescu wurden imperiale Prachtbauten geschaffen, linke Systemkritiker sowie Roma wurden verfolgt. Nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus hat sich die Armut noch verschlimmert und das Land wurde zur innereuropäischen Billigproduktionsstätte mit den entsprechenden Arbeitsbedingungen. Öffentliche Räume werden privatisiert und für alternative Jugendkultur ist es schwer, sich Plätze zu erkämpfen.

Unser Hauptziel war Iasi, eine Stadt im Norden Rumäniens. Hier lebt die Gruppe, deren Größe schwer einzuschätzen ist. Sie verstehen sich selbst eher als politischer Freundeskreis, denn als fest organisierte Gruppe. Ein regelmäßiges Treffen gibt es nicht. Auch, weil der Ort dafür fehlt. Wenn sich getroffen wird, dann zu Hause bei einer von ihnen und da ist meist kaum Platz für 10 Leute im Zimmer. Alle leben noch bei ihren Eltern, einige gehen zur Schule und andere studieren. Ein anderer Treffpunkt sind die Parks... das heisst z.B. auf einer Steintreppe oder einem Platz, denn in Iasi ist es verboten, das Gras zu betreten. Wer es dennoch tut, lernt die rumänische Parkpolizei kennen. Wir haben es am eigenen Leib erfahren.

Die wichtigste Aktionsform der letzten Jahre war Food not bombs. Dabei bereitet die Gruppe Essen vor, dass kostenlos am Bahnhof der Stadt verteilt wird. Wir haben eine der Aktionen mitgemacht und erst dabei haben wir verstanden, worum es geht. Hauptsächlich geht es eben darum, Essen zu verteilen, ein Akt der öffentlichen Solidarität mit den Armen der Stadt. Und davon gibt es wahnsinnig viele; seit dem Einzug des neoliberalen Kapitalismus, ist die Armut drastisch gestiegen. Insbesondere Roma Familien und alte Menschen sind betroffen. Es gibt kaum staatliche und keine kirchliche Hilfe. Tafeln oder ähnliche Projekte existieren nicht. Der Staat lässt sie einfach verrecken. Bei der Aktion, bei der mit Absicht ins Zentrum der Stadt gegangen wird, gibt es in erster Linie Gespräche zwischen der Gruppe und denjenigen, die essen. Die Vorbeilaufenden können sehen, was passiert und machen sich ihre Gedanken. Um mit ihnen in Kommunikation zu treten wurde versucht ein Flugblatt zu verteilen, was aber die Aktion zu einer politischen Kundgebung gemacht hat und Probleme mit der Polizei verursachte. Dennoch soll zukünftig die Aktion mehr Öffentlichkeit erreichen.

Was lässt sich noch zur Stadt sagen? In Iasi gibt es 7 große Hügel auf denen die Stadt steht. Ausserdem wirklich viele Kirchen, viele humpelnde Straßenhunde und skrupellose Busfahrer_innen. Es gibt aber auch viel spannenderes zu entdecken. Z.B. eine kämpferische Gewerkschaft, mit der wir uns getroffen haben. Die Stahlarbeitergewerkschaft "Virgil Sahleanu". Ihren Namen hat sie von ihrem letzten Vorsitzenden. Nach einem sehr harten aber erfolgreichen Arbeitskampf wurde er ermordet. Umgebracht von Wachleuten, die der Firmeneigentümer angeheuert hatte, vor lauter Wut, dass die Streiks und Aktionen Wirkung gezeigt hatten. Einzelne aus der Iasi-Gruppe hatten bereits Kontakte zu ihnen und so haben sie ein Treffen mit deren Vorsitzendem organisiert und live übersetzt. Für einen Bericht ist hier nicht genug Platz, wir berichten aber gerne an anderer Stelle davon.

BUKAREST

Als erstes trafen wir uns mit einer Frau von "Culture of Peace", einer Organisation, die seit 2004 gegen rassistische Diskriminierung auf vielen Ebenen in Rumänien kämpft. Früher gab es viele MigrantInnen aus nordafrikanischen und arabischen Ländern in Rumänien. Heutzutage studieren immer noch viele von ihnen dort, aber es ist sehr schwer, danach noch länger zu bleiben. Auch für ArbeitsmigrantInnen ist die Situation nicht einfach: viele von ihnen werden von den Firmen von der Aussenwelt abgeschirmt und leben ohne Rechte und ohne Status in eigens eingerichteten Kasernen. Versuche einer Organisierung dieser Arbeiterinnen gestalten sich schwierig, auch weil rumänische Gewerkschaften noch sehr darauf bedacht sind, rumänische Arbeiter gegen Fremdarbeiter zu unterstützen. Es gibt jedoch Versuche diesen Irrsinn aufzubrechen, teils mit Erfolg.
Ansonsten wurden in Rumänien mit dem EU-Beitritt die Grenzkontrollen verstärkt und es ist für Flüchtlinge schwerer geworden auf diesem Wege nach Mitteleuropa zu gelangen. Derzeit werden 4 neue Asylheime gebaut, denn hier sollen zukünftig Flüchtlinge Asylanträge stellen um gar nicht erst bis z.B. nach Deutschland zu gelangen.

Danach spazierten wir durch Bukarest und haben uns die eine oder andere Geschichte erzählen lassen. Vom monströs großen Präsidentenpalast Ceaucescu's etwa oder vom "Museum des Kommunismus", einem Gebäude was jetzt der größte Supermarkt Osteuropas werden soll.

Am Abend haben wir dann noch einige rumänische Rechtsradikale zu Gesicht bekommen. Wenige Stunden zuvor gab es im Nachbarstaat Moldawien Parlamentswahlen, die von der regierenden Kommunistischen Partei gewonnen wurden. Leider mussten wir erfahren, dass diese Partei sich nur kommunistisch nennt, aber neoliberal und nationalistisch passe wohl eher.

Es gab in Moldawien Auschreitungen, weil dieser Partei Wahlbetrug vorgeworfen wurde. Später stimmte sie einer Neuauszählung der Stimmzettel zu und ihr Wahlsieg wurde bestätigt. Die rumänischen Rechtsradikalen sahen in den Randalen eine Gelegenheit ihre Ideologie eines Groß-Rumäniens öffentlich zu demonstrieren. Von den Randalen in Moldawien behaupteten sie, dass sich Moldawiens Bürger (wieder) Rumänien anschließen wollen und gingen vor der Universität in Bukarest auf die Straße. Etwa 1000 zumeist junge Leute nahmen daran teil. Viele trugen einen Button oder ein Shirt auf dem eine Karte von Rumänien drauf war, die Moldawien und Teile anderer Staaten mit einschließt. Der Großteil der Teilnehmenden waren keine organisierten Nazis, sondern sind der radikale Teil eines rechten Mainstreams, der sich vor allem durch Hetze gegen Roma, Arme und Schwule auszeichnet. Tragende Säule dieses Mainstreams ist die Rumänisch-Orthodoxe-Kirche, die viel Macht und Einfluss in der Gesellschaft hat.
Andere Teilnehmer waren moldawische StudentInnen, die in Bukarest leben. Im allgemeinem rumänischen Fahnenmeer war die Grenze zwischen ihnen und den Nationalisten allerdings nicht wahrnehmbar. Zu Protesten gegen den Aufmarsch kam es an diesem Abend übrigens nicht.

Wer Interesse an der Arbeit der YOREX AG hat, kann sich gerne melden.

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