Offener Brief des DJB e.V. zur Hausbesetzung in Hennigsdorf

Am 11.07.2007 haben Jugendliche und junge Erwachsene der Hennigsdorfer Antifaschistischen Initiative (HAI) das seit langem leerstehende Gebäude einer alten Wäscherei in der Innenstadt besetzt. Das Demokratische JugendFORUM Brandenburg (DJB e.V. ) begrüßt das Vorgehen der Initiative ausdrücklich. Das Engagement der Mitglieder bietet der Stadt Hennigsdorf nun eine große Chance, die demokratische Kultur in der Stadt zu stärken.

Die Besetzung ist eine Reaktion auf die seit langem bekannten, geduldeten und über die Stadtgrenzen hinaus wahrnehmbaren Zustände in der Stadt Hennigsdorf. Gerade im Bereich des Bahnhofs und der Innenstadt ist das Stadtbild oftmals geprägt von rechtsextremen Jugendlichen, die unschwer an zur Schau gestellten Symbolen der rechten Szene zu erkennen sind. Übergriffe auf Ausländer und alternative Jugendliche stehen auf der Tagesordnung. Der seit Jahren etablierte rechte Szeneladen “On the Streets” dient dabei auch als Anlaufpunkt für rechtsextreme Personen aus Hennigsdorf und Umgebung. Das hohe Potential der rechtsextremen Szene in Hennigsdorf zeigte sich dann auch in den spontanen und äußerst gewalttätigen Angriffen von über 30 Rechtsextremen auf die Jugendlichen kurz nach der Besetzung.

„Bei diesen Zuständen ist es klar, dass es dringend nötig in der Stadt ist, einen Ort zu schaffen indem Antifaschismus selbstverständlich ist“, so ein Sprecher der Initiative. In der Vergangenheit wurden seitens der Initiative viele Versuche unternommen, einen geeigneten Ort in der Stadt zu finden, in dem demokratische und antifaschistische Gedanken und Aktivitäten ihren berechtigten Platz haben.

Die Bemühungen der Jugendlichen um einen solchen Ort, sind allerdings vorerst gescheitert. Im bestehenden städtischen Jugendzentrum “Konradsberg” wurde der Initiative untersagt auf einen Flyer “Gegen Nazis” zu schreiben. Sie sollten ebenfalls dazu verpflichtet werden, bei ihrer Veranstaltung Personen mit bekanntem rechtsextremistischen Hintergrund einzulassen. Ein Mitarbeiter des Jugendzentrum wird zitiert mit den Worten: "Wir haben hier im Haus Iraner, Russen sowie rechte und linke Jugendliche - alle sind willkommen". Dieser scheinbare Pluralismus hat in den vergangenen Jahren in Brandenburg in vielen Fällen zur Schaffung von Freiräumen für rechte Jugendliche geführt.

Wer die Idylle stört, fliegt raus. Wer sich auf Antifaschismus und Demokratie beruft hat es schwer. Die Akzeptanz und Toleranz von rechten Jugendlichen in städtischen Jugendclubs ist eine Verfehlung mit massiven Auswirkungen auf Sozialräume und das Klima in einer Stadt. Die Initiative hat die einzig richtige Konsequenz gezogen und versucht durch die Schaffung von Öffentlichkeit auf dieses Problem hinzuweisen. Die Forderung nach einem eigenen Raum und die kooperative Bereitschaft darüber mit der Stadt zu verhandeln sind vorbildlich.

Das DJB ist seit 1990 in Brandenburg in der Jugendarbeit und als Netzwerkstruktur vieler selbstverwalteter Projekte, Initiativen und Jugendclubs aktiv. Es hat sich gezeigt, dass in Städten, die sich positiv zu ihren alternativen Jugendlichen bekennen, ein gesellschaftliches Klima der Toleranz und des Miteinanders existiert. Es gibt einen konstruktiven Dialog und damit die Einbindung von Jugendstrukturen in politische Gremien und Entscheidungsprozesse. Positive Beispiele finden sich beispielweise in Strausberg, Bernau, Potsdam oder Neuruppin.

Städte die ihr Problem mit rechtsextremer Dominanz in der Jugendszene verharmlosen bzw. leugnen präsentieren sich als gefährliche Gebiete für viele Menschen unserer Gesellschaft. Beispiele sind hier Schwedt/Oder, Angermünde und Frankfurt/Oder. Ein Klima der Ausgrenzung sorgt für Abwanderung und kulturelle Verarmung.

Dem Handeln nach „Gesetzeslage“ steht die Möglichkeit eines Handeln der Nachhaltigkeit und Vernunft gegenüber. Die Jugendlichen in der alten Wäscherei sind keine Chaoten, sondern Jugendliche und Bürger der Stadt Hennigsdorf, die sich für ihre Freiräume und Interessen engagieren. Dieses Potential zu nutzen und nicht zu unterdrücken wäre ein beispielhafter Umgang im demokratischen Miteinander.

Die Stadt Hennigsdorf sollte die Hausbesetzung als Chance begreifen, in einen Diskurs mit den Jugendlichen zu treten und gemeinsam langfristige Strategien zu erarbeiten, die eine bunte Jugendkultur fördern und das Erstarken von Ideologien der Ausgrenzung verhindern. Die politischen und gesellschaftlichen Kräfte der Stadt sind nun dazu aufgerufen und gesellschaftlich verpflichtet, die Jugendlichen ernst zu nehmen, sie vor psychischen und psychischen Angriffen durch Rechtsextreme zu schützen und diese Gelegenheit zu nutzen, den Dialog und die konstruktive Auseinandersetzung mit aller Kraft zu fördern. Beteiligung statt Politikverdrossenheit, Dialog statt Ausgrenzung und Verantwortung statt Populismus ist das Erfolgsrezept.

DJB e.V., Bernau, 13.07.2007

Kontakt: Robert Richter (Vorstand) 0176 – 2432 8105