Seelower Höhen und Tiefen

Die Gedenkstätte Seelower Höhen ist zweifelsohne ein sehr widersprüchlicher Ort, der sich irgendwo zwischen einem Wallfahrtsort und Heimatmuseum bewegt und in gutgemeinter Naivität zum Ende des 2. Weltkrieges Auskunft geben möchte. Um bei diesem Thema alle möglichen politischen Positionierungen zu vermeiden, zeichnet sich die Ausstellung wie auch die Gestaltung des Museums durch eine gewisse Beliebigkeit aus, die einen auswärtigen Betrachter solange vor grössere Rätsel stellt, bis sich dieser einer Auseinandersetzung mit der Geschichte des Museums gewidmet hat.

So ist der Gestaltung der Außenanlagen anzusehen, dass dieser Ort sicherlich nie ein der Auseinandersetzung mit Krieg im allgemeinen oder besonderen gewidmeter Ort war, sondern immer ganz speziell auf die Schlacht an den Seelower Höhen fokussierte. Dabei ist unschwer vorstellbar, dass zu DDR Zeiten dieses Museum in erster Linie dem Ruhm und der Ehre der Sowjetsoldaten gewidmet war und ihrer Verluste und heldenhaften, weil opferreichen Kämpfe in den Mittelpunkt stellte.

Dass dieser Fokus mit dem Fall der DDR ebenso aufgegeben wurde, wie jeder andere positive Bezug auf die Sowjetarmee, ist bekannt und überrascht nicht sonderlich. Gleichzeitig wird an dieser kleinen, aber historisch überkodierten Gedenkstätte deutlich, wie schwer es offensichtlich fällt, dieses Vakuum zeitgemäß zu füllen. Viele angebotenen Deutungsmuster zu dieser Schlacht sind nicht nur lächerlich, sondern angesichts der historischen Bedeutung fast beleidigend profan. ("Hier zeigt sich, wie einfach es ist, Kriege zu beginnen, doch wie schwer es fällt, sie zu beenden.." oder "Täter-Opfer-neue Opfer - Die Spirale der Gewalt" - Zitate aus der Ausstellung bzw. dem begleitenden Film "Roter märkischer Sand").

Hervorzuheben ist das wiederholte Betonen vom Verlorengegangensein von Gebieten östlich der Oder. Obwohl den Betreibern des Museums mit Sicherheit keine geschichtsrevisionistische Absicht zu unterstellen ist, ist hier - wenn auch vielleicht unbeabsichtigt - revisionistischer Sprachgebrauch und Bewertung ganz offen zu finden. Das geht einher mit Tendenzen, die politischen Hintergründe zu verwischen, sich auf militärische Fakten und Zahlen zu konzentrieren und so bei einem nicht vorgebildeten Betrachter den Eindruck zu hinterlassen, dass diese Schlacht als ein schlimmes, erschreckendes Geschehen zu betrachten ist - keiner wollte so richtig mehr kämpfen, alle hatten große Verluste und alles war irgendwie ganz schlimm...

Neben militärischen Berichten, Fotos und Ausstellungsgegenständen (z.B. eine japanische Fliegermütze, die ein deutscher Kriegsgefangener in Kriegsgefangenschaft trug), werden kaum politische Hintergrundinformationen oder Einschätzungen präsentiert. Gleichzeitig sind die wenigen Texte auf den Ausstellungstafeln wiederum überraschend banal und nichtssagend, zuweilen aber auch tendentiös und verharmlosend. (so z.B. heisst es in der Ausstellung "Das Ende des 2. Weltkrieges im Osten Europas begann am 12. Januar 1945 mit der Winteroffensive der Roten Armee. In den folgenden Monaten ging Ostpreussen verloren." oder aber: "Die Heimat wurde erst Kriegsgebiet und ging ostwärts der Oder verloren.")

Im Widerspruch dazu steht die Gestaltung der Aussenanlagen, die sowjetische Artillerie und Panzer mit Stolz präsentiert, und nach wie vor Ruhm und Ehre dem sowjetischen Soldaten zollt. Diese Art der Widersprüchlichkeit, die sich ebenso in der Auswahl der angebotenen Literatur zum Thema weiterführt, wo neben einem Wanderführer durch das Oderbruch die historischen Analysen von Revanchisten wie Guido Knopp neben Analysen und Berichten von Stefan Doernberg, ehemaligem Politkomissar in der Roten Armee, ausliegen, ist nur durch einen völlig mißverstandenden Begriff von Pluralismus und Demokratie zu erklären. Daher wird sich dann letztendlich aus lauter Hilflosigkeit auf objektivere Fakten, wie Truppenstärke und die Anzahl der vorhandenen Waffengattungen konzentriert.

Insgesamt ist das Museum als Zeugnis geschichtlicher Umdeutung und Hilflosigkeit höchst sehenswert, wie auch verrostetes Militärwissen hier gut aufpoliert werden kann. Darüber hinaus ist es durchaus eindrucksvoll, zu erleben, dass dieses vielfrequentierte Museum für viele - vor allem ältere - Menschen von großer persönlicher Bedeutung ist - unabhängig was dort ausgestellt wird, sondern vielmehr als Ort des Gedenkens und Erinnerns, wo oft Kränze niedergelegt werden oder auch einfach nur spaziert wird.

Wer aber Interesse am Ausgang des zweiten Weltkrieges hat, der sollte vor dem Besuch der Seelower Höhen Zeit für eine Besichtigung des Museums in Karlshorst (heute: "Deutsch - Russisches Museum", früher: "Museum der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands") finden, wo das notwendige Wissen zur Verfügung gestellt wird, die Ausmaße dieses Krieges, wie auch die Rolle und Bedeutung der Seelower Höhen zu begreifen und die Ausstellung in den Seelower Höhen verstehen und einordnen zu können.