Aktion Noteingang - Fragebogenanalyse

Januar 2001: Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchung "Aktion Noteingang"

Die "Aktion Noteingang" versteht sich als ein Beitrag zum Thema "Tolerantes Brandenburg", welches von verschiedenen Gruppen des demokratischen Jugendforums Brandenburg getragen wird. Trotz bereits gescheiterter ähnlicher Projekte, wurde, aufgrund der wachsenden Anzahl rassistischer Übergriffe, die Notwendigkeit einer erneuten Durchführung relevant. Das Ziel der Aktion Noteingang besteht darin, ein deutlich sichtbares Signal für Hilfe- und Schutzsuchende bei rassistischen Übergriffen zu setzen. Um dies zu erreichen, wurden entsprechende Aufkleber an verschiedene öffentliche Einrichtungen und Institutionen (z.B. Einzelhandelsgeschäfte, Restaurants) verteilt, mit der Bitte, diese deutlich sichtbar im Eingangsbereich anzubringen. Begleitend wurde ein Fragebogen verteilt, der die Einstellung der befragten Personen empirisch erfassen sollte.

Im Mittelpunkt der Erhebung stand die Frage nach der Hilfsbereitschaft einzelner Bevölkerungsgruppen, die durch das Anbringen des Aufklebers signalisiert wird. Ergänzend wurden die soziodemographischen Indikatoren betrachtet. Daraus ließen sich folgende Hypothesen herleiten:

1. Personen, die der "Aktion Noteingang" positiv gegenüber stehen, sind auch bereit den Aufkleber anzubringen.

2. Es gibt regionale Unterschiede die Hilfsbereitschaft betreffend.

3. Es gibt Unterschiede hinsichtlich der Einstellung der LadenbesitzerInnen abhängig von Branche, Alter oder Geschlecht.

Die Daten wurden mittels eines Fragenbogens erhoben und mit SPSS ausgewertet. Der Fragenbogen setzte sich aus 10 Fragen und Unterfragen zusammen, die einleitend durch Ratingskalen zu beantworten waren.

Für die Untersuchung wurden insgesamt 909 Einrichtungen ausgewählt. Der geringe Rücklauf von 486 Fragebögen kann u.a. mit dem Verbot einer Beteiligung von öffentlichen Einrichtungen erklärt werden. Den größten Teil der Stichprobe (65,9%) bildeten die Einzelgeschäfte.

Das durchschnittliche Alter der Stichprobe betrug 42 Jahre, wobei Männer und Frauen in ungefähr gleichen Anteilen vertreten waren. Für die Auswertung standen Informationen folgender Städte zur Verfügung: Bernau, Fürstenwalde, Strausberg, Neuruppin, Potsdam und Schwedt.', 'Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen eine allgemeine Zustimmung zu der Aktion "Noteingang" (89,9%). Bei der konkreten Umsetzung, den Aufkleber tatsächlich anzubringen, entschieden sich nur noch 32,8% dafür. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Angaben zur Hilfsbereitschaft in erster Linie durch soziale Erwünschtheit beeinflusst werden. Als Gründe, jemanden nicht zu helfen bzw. den Aufkleber nicht anzubringen, wurden die Angst vor Sachbeschädigung und vor gefährlichen Situationen angegeben. Dem Gegenüber steht das Bedürfnis ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen und die Selbstverständlichkeit, Menschen in Not helfen zu wollen. Bei dem Aspekt der Hilfsbereitschaft waren geringfügige regionalen Unterschiede zu finden. Die offensichtlichste Differenz besteht zwischen Fürstenwalde (52,5%) und Schwedt (24,1%). Ein möglicher Erklärungsansatz für das Ergebnis in Fürstenwalde, könnte die Existenz rechter Subkulturnetzwerken und der damit verbundenen negativen Erfahrungen der Bürger sein.

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung bestand in der Frage nach der Unterscheidung der Personengruppen, denen Hilfe angeboten wird. Als hilfsbedürftig erscheinen Frauen (97%) und Kinder (98%), Behinderte (94%) und Homosexuelle (84%). Im Gegensatz dazu, werden den offensichtlichen Verarmten (unter Einfluss von Alkohol und Drogen) nur unter Vorbehalt Unterstützung gewährt. 52,2% der Befragten gaben keine gruppenspezifischen Prioritäten in ihrer Hilfsbereitschaft an.

Hinsichtlich demographischer Merkmale lässt sich folgendes darstellen. Einen Unterschied zwischen Männer und Frauen bezüglich der Hilfsbereitschaft, konnte in diesem Zusammenhang nicht festgestellt werden. Eigentlich wäre zu erwarten, dass der Anteil hilfsbereiten Frauen aufgrund der potenziellen Gefahrensituation geringer ist. Andererseits wäre ein möglicher Erklärungsansatz, dass Frauen sensibler auf Hilfsbedürftige reagieren.

Bei der Erhebung zur Art der Einrichtungen ergab sich folgendes Bild branchentypischer Unterschiede. Mit 92,4% scheinen die öffentlichen Einrichtungen ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft zu zeigen. Ein Grund könnten die soziale Erwünschtheit sowie der Anspruch der "political correctness" sein, der vor allem an die öffentlichen Institutionen gebunden ist. Das Schlusslicht bilden die Handelsketten (67,5%).

Zwischen den Altersklassen konnte kein signifikanter Unterschied gefunden werden. Die Grundidee der dritten Hypothese war die Beziehung zwischen Einstellung zu Hilfsbereitschaft und den soziodemographischen Merkmalen der Befragten zu betrachten. Dazu sollte ein Vergleich zwischen einem männlichen Ladenbesitzer der Altersgruppe 60-69 Jahren und einer weiblichen Angestellten der Altersgruppe 20-29 Jahren hinsichtlich ihrer Hilfsbereitschaft gezogen werden. Eine ausreichende Hypothesenprüfung war aufgrund fehlender Auswertungsmöglichkeiten nicht durchführbar.

(Anita Hudalla; Angela Küchenmeister; Janin Stanschus)