Der Ärger war vorprogrammiert. Eine Presseerklärung des JWP-MittenDrin e.V.

Drei Wochen vor dem Naziaufmarsch in Neuruppin machen Stadt, Ordnungsamt und Polizei mobil gegen junge Linke. Ziel ist das alternative JugendWohnProjekt "MittenDrin" in Neuruppin als vermeintliche "Antifa- Zentrale" - der Kontext ist eine geplante Vereinsfeier am 05.03.2010 zum fünfjährigen Bestehen einer Hausband. Die Schritte der Ordnungsmacht waren gut abgestimmt.

Letzten Dienstag gab es einen Besichtungstermin im MittenDrin zur "Überprüfung der hygienischen und sanitären Bedingungen der Einrichtung", die nach Erkenntnissen des Ordnungsamtes "katastrophal" sein sollten. Doch die Überprüfung lieferte ein anderes Ergebnis und dies war nicht so erfreulich für die anwesenden Kontrolleure - aus einem internen Papier an die Polizei heißt es: "aus baupolizeilicher Sicht ist eine Schließung der Einrichtung derzeit nicht gegeben". Im Klartext also: es muss weiter gesucht werden. Tja, aber Gründe gibt es ja genug. Zum Beispiel eine Band mit den möglicherweise strafrechtlich relevanten Texten, die am Freitag bei uns spielen sollte. In die allgemeine Hysterie wollten wir nicht mit einstimmen. Schließlich ist ein polizeiliches Ermittlungsverfahren noch kein Schuldspruch und formel gilt in diesem Land immer noch die "Unschuldsvermutung". Das die Veranstaltung gestört und die Verantwortlichen aus dem MittenDrin zu unüberlegten Schritten gedrängt werden sollten, war dann auch nicht sonderlich schwer zu erkennen. Nach Beginn des Konzertes war die Polizei massiv in der Stadt präsent. Im 5-Minuten-Takt fuhren die vollbesetzten Polizeitransporter an uns vorbei. Teilweise mit Potsdamer Kennzeichen. Mehrere Polizeihunde und etwa 6 weitere Fahrzeuge warteten in Nebenstraßen auf ihre große Stunde. Die Frage ist: Wieso eigentlich keine Wasserwerfer oder Räumpanzer? Naja vielleicht beim nächsten Mal. Gegen 21:30Uhr gab es dann ein erstes Gespräch mit den Verantwortlichen des MittenDrins. Ihnen wurde mitgeteilt: "Nach unseren Erkenntnissen halten sich mehr Personen in der Einrichtung auf, als aus brandschutz-technischer Sicht vertretbar sind". Rechtliche Grundlage dieser Vermutung: unbekannt. Ergebnisse des Gesprächs waren die Forderungen keine weiteren Personen ins Gebäude zu lassen und das Gebäude punkt 23:00Uhr eigenständig zu räumen - andernfalls müsse die Polizei dies übernehmen (auf ihre Art und Weise versteht sich) – so funktioniert also Deeskalation... Ob dies bei jungen Menschen Verständnis für polizeiliche Maßnahmen und den Glauben an Rechtsstaatlichkeit bestärkt, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Selbstredend waren die Besucher_Innen sauer. Sauer über ein Ordungsamt, dass unter fadenscheinigen Vorwänden eine verdiente "Freitag-Nacht"-Veranstaltung belästigt. Dazu ein Bedrohungsszenario durch permanente Polizeipräsenz.

Das alles wirft kein gutes Licht auf diese Stadt und ihrem Umgang mit den berechtigten Forderungen junger Menschen nach sozialem Austausch und lebendiger (Jugend)Kultur. Uns war klar, dass wir an dieser Stelle zu einer Reaktion gekitzelt werden sollten, die eine polizeiliche Räumung der Veranstaltung legitemieren würde. Denn wer sein Spielzeug auffährt, steht nicht gerne mehrere Stunden in der Kälte. Da muss auch mal Abwechselung her. Wir wollten unsere Besucher_Innen einer solchen Gefahr nicht aussetzen und die Strategie von Ordnungsamt und Polizei sollte nicht so plumb aufgehen. Zähneknirschend brachen wir die Veranstaltung ab, denn wichtig ist nicht diese eine Veranstaltung, sondern die Kontinuität von alternativer Jugendkultur. Klischees und Steilvorlagen von betrunkenen, randalierenden Jugendlichen werden wir nicht bedienen. Doch das heisst nicht, dass wir uns diese Schikanen einfach so gefallen lassen. Ein solches Auftreten der “Ordnungskräfte” muss vor Ort scharf kritisiert werden. Und für uns ist klar: Im Vorfeld der Nazidemo am 27.03.2010 sollen junge Antifaschist_Innen eingeschüchtert werden und Strukturen beleuchtet werden. Leider lieferten wir keine Gründe für einen Einsatz á la "Gefahr im Verzug". Der Abend endete also ohne “weitere Zwischenfälle”.Doch die Kriminalisierungsversuche werden weiter gehen und sind bereits angekündigt: Am kommenden Donnerstag soll es nun einen Besichtungstermin des gesamten Gebäudes einschließlich Bewohner_Innen Etage geben. Formell ist das alles, wie auch die Vermutungen über Brandschutzbestimmungen gedeckt und "berechtigt", warum regen wir uns also so auf? Weil wir nicht an Zufälle glauben und weil Repression sich immer unpolitisch gibt. Es ist ja alles nur zu unserem Schutz und zu unserer Sicherheit... Wir glauben nicht an den guten Willen in unserem Sinne, denn wir wissen selbst was gut für uns ist. Darüber hinaus füllen sich Nazis durch solches Auftreten bestärkt in ihrem Handeln.

Wir rufen euch auf die Sache weiter zu verfolgen und öffentlich zu thematisieren! Nur eine breite Öffentlichkeit ist in der Lage derartigen Kriminalisierungsversuchen einen Riegel vorzuschieben.
Für eine lebendige, antifaschistische Jugendkultur!