Perspektiven antirassistischer Jugendarbeit in Brandenburg

Erfahrungen aus der Praxis eines Jugendinitiative-Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Welche Perspektiven hat antirassistischer Jugendarbeit in Brandenburg ? Auf Einladung des IRS Erkner zum 24. Brandenburger Regionalgespräch am 22.03.2007 mit dem Thema "Fremde im eigenen Land – Plädoyers und Perspektiven für ein weltoffenes Brandenburg" entstand dieser Beitrag des DJB, in dem wir aus dem Hintergrund der Erfahrungen der Praxis eines Jugendinitiative-Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus in einigen Thesen auf diese Frage antworten.

1. Praxis des DJB-Netzwerkes

Einige Worte zu unserem Netzwerk:
1991 gegründet, als landesweiter Zusammenschluss unterschiedlicher Jugendprojekte, die in dem landesweiten Netzwerk „DJB“ zu unterschiedlichen politischen Themen (von Partizipation bis zu Rechtsextremismus) zusammenarbeiten. In den Wendejahren gergündet diente das DJB zur gemeinsamen Interessenvertretung auf Landesebene. Dem Landesjugendring anfangs gleichgestellt wurde es in den folgenden Jahren in einer Art Verdrängungswettbewerb aus den Landesgremien und Förderungen zugunsten von Jugendverbänden herausgedrängt.

So what. Die antirassistische Jugendarbeit des DJB hat vielfältige methodische und inhaltliche Herangehensweisen, die im folgenden beispielhaft kurz erläutert werden:

Jugendkulturelle Aktivitäten:

Jugendkultur spielt in der Politisierung und Orientierung Jugendlicher eine immense Rolle. Obwohl Rechtsextremismus ein politisches und kein jugendkulturelles Phänomen ist, ist bei Jugendlichen (sub)kultur oftmals ein wichtiger Träger und Ort und politischer Auseinandersetzung. Somit ist es wesentlich, dass eine Jugendkultur präsent ist, die sich selbstbewusst von Rassismus und Rechtsextremismus abgrenzt und sich auf demokratische Traditionen bezieht. Konzerte gegen Rassismus, Skatejams und HipHop-Events gegen Rechtsextremismus, Thematische Straßenfeste und Partys mit antirassistischen Inhalten sind konkrete Projektbeispiele, wie eine solche Jugendkultur explizite Förderung erhält.

Landesweite, öffentlich diskutierte Jugendkampagnen:

Kampagnen dienen einerseits der öffentlichen Diskussion, da sie Punkte und Themen in den öffentlichen Diskurs stellen, die sonst in der Form nicht verhandelt worden wären. Jugendkampagnen wie das DJB sie entwickelte, bieten einerseits die Möglichkeit selbst gegen Rassismus aktiv zu werden, andere Jugendliche mitzureißen und gleichzeitig eine öffentliche Diskussion mit zu beeinflussen. Beispiele für Jugendkampagnen des DJB sind Aktion Noteingang (Jugendinitiativgruppen in 13 Städten führten in teilweise enger Kooperation mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren die Kampagne durch) und Aktion Analyse (2002) - Jugendinitiativen recherchierten Rassismus und Rechtsradikalismus in ihrem Alltag, entwickelten Aktionsformen die sie dokumentierten.

Beispiel : Aktion Noteingang: Aus einer regionalen Initiative entwickelte sich "Aktion Noteingang" zu einem landesweiten Projekt, an dem sich 13 Städte beteiligen. Regionale Bündnisse, bestehend aus unterschiedlichen Gruppen und Einzelpersonen, entstanden, um gemeinsam ein Zeichen gegen rassistische und faschistische Umtriebe zu setzen, öffentliche Diskussionen zu entfachen und BürgerInnen zur Zivilcourage zu animieren.
Obwohl nach einem einheitlichen Konzept, arbeiteten die Bündnisse vor Ort eigenverantwortlich und nach einem, den örtlichen Gegebenheiten angepassten, Vorgehen. Daraus ergaben sich unterschiedliche Wirkungen auf die Kommune sowie differenzierte Ergebnisse und Erfahrungen. Neben den Erfahrungen der AktionistInnen wurden durch eine Erhebung per Fragebogen weiteres Wissen über Alltagsrassismus erworben.

Empowerment von Jugendinitiativen:

Jugendinitiativen, die sich explizit auf demokratische Werte beziehen und sich klar gegen Rechts positionieren sind – um einen befreundeten MBT Mitarbeiter zu zitieren, die „Goldstücke einer jeden Kommune“ - übernehmen sie nicht nur die Arbeit politischer Bildung unter ihren Altersgenossen, sondern bringen sich meist mit viel Ehrenamt, Engagement und Enthusiasmus in die Gestaltung ihrer Freizeit und damit ihrer Kommunen ein. Dass sie dabei oft den Finger in die Wunde der Stadtväter und -mütter legen, ist leicht vorstellbar, weil sie es oft sind, die Missstände beim Namen nennen und kritisieren. Dass diese praktisch gelebte Demokratie bei vielen Kommunen dennoch eher beleidigte Kritik statt Unterstützung erntet, dürfte vielen von Ihnen auch bekannt sein. Aber nicht nur das: es gibt kaum irgendeine Form finanzieller Unterstützung, oft strafrechtliche Ermittlungen und damit einhergehende Belästigungen, genervte Eltern, Lehrer usw. Das Leben als kritischer Jugendlicher ist in Brandenburg nach wie vor nicht einfach. Daraus ergibt sich eine dritte Säule antirassistischer Jugendarbeit des DJBs, das Empowern und Unterstützen von Brandenburger Jugendinitiaitven. Konkrete Projektbeispiele war hier das Projekt Bildungsoffensive 1998-2005 - Stärkung antirassistischer und antifaschistischer Jugendinitiativen im ländlichen Raum, 1999-2001 mit Landesförderung. (Partizipationsförderung, emanzipatorisch, Vernetzung)

Beispiel: Bildungsoffensive: Die Bildungsoffensive fokussierte auf die lokale Unterstützung Jugendlicher in Brandenburg, die sich in antifaschistischen und antirassistischen Initiativen engagieren und auf die Förderung der Vernetzung derselben. Dies war und ist notwendig, da es in der Regel einen Mangel an Unterstützung von Seite der Gemeinden oder anderer Institutionen gab und gibt. Wir organisierten Antirassismusseminare, unterstützten die Gruppen bei Veranstaltungen und Konzerten, halfen Räume zu suchen und diese in Selbstverwaltung aufzubauen. Wir setzten an bereits existenten Jugendgruppen an, die die Absicht hatten, sich gegen Neonazistrukturen in ihren Städten zu engagieren. Ziel waren unabhängige alternative Räumlichkeiten, die einen öffentlichen Raum darstellen und offen für andere Jugendliche sind. Räume frei von Neonazis und sicher vor rechten Übergriffen. Mittlerweile sind einige der alternativen Jugendprojekten zu sozialen Zentren gewachsen, wo ehrenamtliche Jugend-, selbstbestimmte Bildungs- und Kulturarbeit geleistet wird. Die Projekte beeinflussen die Stadtjugendpolitik, sind im Bereich der Flüchtlingsunterstützung aktiv und bieten, in der Regel als einzige Einrichtung in der Gemeinde, alternative Kulturevents an. Die BO war in dem Brandenburgweiten DJB-Netzwerk aktiv, welches die einzelnen Projekte vor Ort stärkt, sowie Ressourcen und Wissen teilt. Die BO-Projektgruppe beteiligte sich an landesweiten Projekten und brachte Ideen und neue Projekte in das Netzwerk ein, veranstaltete u.a. Bildungsreisen und Jugendaustauschfahrten, organisierte Planspiele und Seminare zur Aneignung von Medienkompetenzen. Handlungsleitend für die BO waren Grundsätze der emanzipatorischen partizipatorischen Jugendarbeit.

Politische Jugendbildung:

Teil des Empowerments ist politische Jugendbildungsarbeit. Konzeptionell findet diese außerhalb und unabhängig von schulischer Bildung statt, um politisches Lernen, politische Orientierung und Bildung unabhängig von dem Einfluss der Schule, von den Leistungsanforderungen etc. dieser zu ermöglichen. Sie war einst eine wichtige Instanz und Möglichkeit der politischen Auseinandersetzung, ist aber inzwischen im Land Brandenburg quasi abgeschafft worden. Konkrete Beispiele für politische Bildungsarbeit waren Selbstbehauptungsseminare, Antirassismusseminare, Infotour durch Jugendeinrichtungen über rechtsextr. Kameradschaften in BRB (Bsp.:MHS), Bildungsprojekte mit dem Schwerpunkt "Wissen zur gesellschaftlichen Intervention" wie die Netzwerkakademie 2006, Planspiele - "Intervention in den kommunalen Alltag", Online Projekte wie den Online-Reiseführer "steppenland.de" bzw. "MyBrandenburg".

Daneben gibt / gab es in Brandenburg weitere unterschiedlichste Projekte antirass. Jugendarbeit verschiedener Träger.

2. Möglichkeiten und Rahmenbedingungen von antirass. Jugendarbeit

Antirassistische Aktivitäten mit der Zielgruppe Jugend setzen auf 3 unterschiedlichen Ebenen an. Generell gilt, dass nachhaltige Konzepte auf allen 3 Ebenen ansetzten müssten:

1. auf der individuellen Ebene der Wertevermittlung, die Jugendlichen widerfährt, die in der Jugendarbeit "betreut" werden;
Darunter fallen alle Auseinandersetzungen mit der und dem Einzelnen Jugendlichen in bspw. Projekttagen, Seminaren der außerschulischen Jugendbildung, persönliche Diskussion zu Gesellschaftsfragen mit SozialarbeiterInnen, TeamerInnen, erfahreneren Jugendlichen u.a.
2. auf der jugendkulturellen Ebene, auf der in Jugendklubs und -zentren oftmals Trends gesetzt oder zumindest beeinflusst werden;
Es ist entscheidend, welches Interesse und welches Engagement sich in Jugendeinrichtungen formiert und organisiert - ob das nun humanistisch-demokratisches oder neofaschistisches ist. Dort, wo es Jugendklubs gibt, die dominierend von rechtsextremen Jugendlichen genutzt werden, um sich zu organisieren, so wie auch Sportvereine von Rechtsextremen genutzt werden, um Zugang zu Räumlichkeiten oder um Ausbildungen in Kampfsportarten zu erhalten, trägt die Jugendpolitik eine wesentliche Verantwortung für die Etablierung eines sogenannten rechten Mainstreams unter Jugendlichen. Über Neofaschismus als Modeerscheinung ist schon viel publiziert worden. Diese Mode hat den Effekt, dass andere Jugendkulturen kaum wahrgenommen werden. Gleichzeitig wächst der Anpassungsdruck für Jugendliche an und die gesellschaftliche Akzeptanz von rechtsextremen Einstellungen.
3. auf der Ebene der politischen Sozialisation, auf der Jugendklubs als außerschulische Institutionen oftmals die ersten Orte sind, an denen verschiedene eigene Interessen erkannt, ausgehandelt und umgesetzt werden.
Offene, selbstverwaltete Jugendeinrichtungen sind notwendig als Orte, in denen Mitbestimmung und Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen geübt und praktiziert werden, wenn entsprechende Rahmenbedingungen dies gestatten. In einer demokratischen Gesellschaft, die davon lebt, dass ihre BürgerInnen sich verantwortlich fühlen und am gesellschaftlichen Leben aktiv teilnehmen, sind also Orte unerlässlich, an denen demokratisches und solidarisches Engagement und Verantwortungsbewusstsein vermittelt und gestärkt werden. Die Schule ist dies übrigens nicht. Sie ist ein Ort wo Leistungsanforderungen im Mittelpunkt stehen und es in erster Linie darum geht Wissen zu vermitteln und anzueigenen. Die Interessen der Schülerinnen und Schüler sind dabei dem Erziehungsauftrag der Schule untergeordnet. Es geht vorrangig darum, dass eine bestimmte Anzahl von Schülerinnen und Schülern in einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Wissen und bestimmte Fähigkeiten erworben haben soll.

Diese hier genannte Betrachtungsweise von antirassistischer Jugendarbeit geht davon aus, dass es eine flächendeckende Jugendarbeit gibt. Das bedeutet, dass antirassistische Jugendprojekte, ob nun selbst organisiert von Jugendlichen, in Verantwortung von Bildungsträgern, kommunalen Arbeitskreisen (Runden Tischen etc.) oder der Kommunen, materiell existieren können. Damit sind wir bei einem der bedeutendsten Probleme von Jugendarbeit im Land Brandenburg - ihrer finanziellen Sicherstellung! Dabei sind Finanzfragen selbstverständlich eine Frage der politischen Prioritätensetzung und die Bedingungen und Art der Mittelvergabe ein Indikator für ein existierendes bzw nicht existierendes Problemverständnis.

Probleme antirassistischer Jugendarbeit:

1.Jugendpolitik des Landes Brandenburg

Die oben bereits erwähnte kritische finanzielle Lage von Projekten politischer Bildung, antirassistischer Jugendarbeit oder auch der Jugendförderung im allgemeinen lässt sich an nur wenigen landespolitischen Entwicklungen der letzten Jahre gut nachvollziehen:

- die 610er Stellen, ein Programm zur Förderung / Ermöglichung von Sozialarbeit wird abgebaut. Die wenigen verbleibenden Stellen sollen zusätzlich die Situation an den Schulen ausgleichen, die ebenso schlecht finanziert sind. Vorgesehen ist mit diesen Stellen 25% Schulsozialarbeit statt Jugendkultur-, Jugendsozial- oder Jugendbildungsarbeit zu leisten.
- Der Landesjugendhilfeplan ist seit 1996 (!) eingefroren und wurde nie an Bedarfe angepasst, immer nur gekürzt. Selbst demografische Veränderungen -Verringerung der Anzahl Kinder- und Jugendlicher um bis zu 50% bis 2010- führen bei Beibehalten der Förderhöhen zu keiner bedarfsgerechten Finanzierung durch den LJP (Feststellung AG78 zur Perspektiven von aJB. 2005/06) Bereits im Jahr 2000 hatte das gesamte Land Brandenburg einen kleineren Etat für die Jugendförderung zur Verfügung gestellt als bspw. die Stadt Aachen.
- Jugendkulturförderung und eine Förderung von Maßnahmen in der Jugendfreizeit gibt es nicht mehr, die außerschulische Jugendbildung wird ständige und umfassend gekürzt und zunehmend ebenso an Schulen zu binden, um den dortigen Mangel auszugleichen.
Diese seit Jahren anhaltende Entwicklung führte dazu, dass Jugendarbeit in Brandenburg schon länger über Sonderprogramme des Bundes zu großen Teilen abgesichert wird, auch wenn das explizit nicht Sinn und Zweck von themenbezogenen Sonderprogrammen sein sollte.
Selbst das Bundesprogramm Civitas stellt in ihrer Ausschreibung unter "Allgemeine Hinweise /Handlungskonzept" für 2007 fest:
"Ein neu konzipiertes Modellprogramm kann nur dann Erfolg haben kann, wenn es vor Ort durch
entsprechende lokale Angebote unterstützt und ergänzt wird. Wo die Jugendarbeit aus finanziellen Gründen eingestellt wird, kann auch ein Bundesmodellprogramm keinen
Ersatz schaffen."

Hier versucht eine Bundesverwaltung hilflos gegen diese Praxis zu appellieren. Fakt ist, dass in Brandenburg (und das wird nicht das einzige Ost-Bundesland in dieser Situation sein) für viele Träger keine andere Wahl besteht als flexibel zu sämtlichen Themen zu arbeiten – sei es Rechtsextremismus, Drogen oder der Deutsch-Polnische Jugendaustausch – Begriffe wie sozialpädagogisches Konzept, bedarfsorientierte Jugendarbeit und Partizipation erscheinen bei solch einem SoPro-Jogging fast antik und altertümlich.

2. Demokratieverständnis von öffentlichen und privaten Förderern

Oft wurde festgestellt, dass der Erfolg antirassistischen Engagements zu großen Teilen von seiner Unabhängigkeit abhängt. Gerade in Gegenden wo es einer ausgeprägten demokratischen Kultur mangelt, bedeutet antirassistisches Engagement nun einmal, den „Finger in die Wunde zu legen“, ein Enfant Terrible zu werden und damit eine Auseinandersetzung einzugehen, die eine sich klar gegen Rechtsextremismus abgrenzende Demokratie in einem schrittweisen Prozess zum integralen Bestandteil wenn nicht sogar Fundament einer Kommune machen kann. Sonderprogramme des Bundes, die gekoppelt werden an Zustimmung und damit meist auch Wohlgefallen der Kommunen erweisen sich damit als wenig unterstützend in diesem Prozess. Diese Art der Demokratieförderung scheint Mode zu werden. Auch die Stiftung demokratische Jugend koppelt ihre Jugendinitiativförderung inzwischen an die aktive Unterstützung durch den oder die BürgermeisterIn getreu dem Motto „Demokratie ja - aber bitte ohne Kritik“.
Damit wird jedoch nicht nur kritischen Jugendinitiativen die Tür zu einer symbolischen Unterstützung ins Gesicht geschlagen, sondern eine Verhaltensweise eingefordert und eingeübt, die wenig mit Emanzipation und active Citizenship zu tun hat: erst bei den Autoritäten um Erlaubnis fragen, dann aktiv werden. Dieses Demokratieverständnis, dass ehemaligen DDR Bürgern noch gut in Erinnerung sein dürfte, trägt bekannterweise wenig zu dem bei, was in sämtlichen Richtlinien und White – Papers an aktivem Bürgerschaftsengagement beschrieben wird.

3. Lokale Probleme

Neben den genannten strukturellen Schwierigkeiten stehen Jugendinitiativen auch oft vor dem Problem, als zu respektierende Teile einer Gesellschaft, mit entsprechenden Bedürfnissen und Rechten anerkannt zu werden. Nicht nur der immer wieder an den Haaren herbeikonstruierte Extremistenvorwurf, der jede und jeden Jugendlichen, der sich offen gegen rechts abgrenzt gern zum Linksextremisten erklärt und ihnen damit jede politische Glaubwürdigkeit abzusprechen versucht, sie im Bedarfsfall auch mit strafrechtlichen Ermittlungen belästigt, oder einfach nur autoritär bedroht schmälert die Motivation, sich zu engagieren. Auch die immerwährenden Jugendhasser, die sämtliche Formen jugendkulturellen Ausdrucks, die aktueller sind als die Mode der 50iger als Zumutung und Störfaktor wahrnimmt, sind in Brandenburger Kleinstädten nach wie vor vertreten und arbeiten Hand in Hand mit den politischen Entscheidungsträgern, die Jugendarbeit als eine freiwillige Aufgabe auch immer freiwillig zuerst kürzen, auch wenn sich das bei den geringen Summen kaum zu lohnen scheint. Wir kennen wirklich Kleinstädte mit 20.000 EinwohnerInnen die sich ernsthaft öffentlich um 1000 Euro mehr oder weniger Mittel bei einem Gesamtbetrag von wenigen 10000 € für Jugendförderung streiten.

Wenn diese Zustandsbeschreibung wie ein Ruf aus dem Jammertal klingt, dann ist das weder gewollt noch gerechtfertig, vielmehr geht es mir darum die Rahmenbedingen klar aufzuzeigen, denn sie machen nachvollziehbar, warum so viele Jugendliche so schnell das Land verlassen, warum die Engagiertesten und Kreativsten spätestens mit ihrem 19ten Lebensjahr wegziehen und eine nachhaltige und lebendige Jugendkultur an nur sehr wenigen Orten existiert. Die Orte an denen sie noch zu finden sind, sind leicht zu beschreiben: sie haben eine S-Bahn Anbindung an Berlin, sie haben eine Unterstützung in der Kommune und dadurch eine Grundlage für ihr Engagement: materiell und ideell.

3. Herausforderungen an eine zukunftsfähige antirassistische Jugendarbeit in Brandenburg oder: Was Tun?

1.Selbständigkeit und Authentizität von antirassistischer Jugendarbeit ermöglichen.
Das Potential hierzu, die Eigeninitiative Jugendlicher, ist vorhanden. Es gilt dieses zum Ausgangspunkt von Aktivitäten gegen Rassismus zu machen: dort wo sich Jugendinitiativen engagieren sind diese darin zu bestätigen und ist ihnen Unterstützung anzubieten.
Weder über die Schule noch über die Stadtverwaltung lässt sich antirassistische Initiative Jugendlicher erzeugen. Kurzzeitige und aus jugendlicher Perspektive durch Institutionen wie Schule, Kommunale Netzwerke der Erwachsenen, Kirche oder Stadtverwaltung geleitete antirassistische Aktionen bzw. "Gegen-Rechtsextremismus-Aktivitäten" wirken für Jugendliche i.d.R. als wenig attraktiv oder werden als Vereinnahmung wahrgenommen, da sie oft die Bedürfnisse und Themen von Jugendlichen weder kennen noch aufgreifen können.

Deshalb ist in jeder Kommune die ausstrahlungsstarke Authentizität des selbstbestimmten jugendlichen Engagements gegen Rassismus und Rechtsextremismus (auch als explizite Antifa-Gruppe) eine notwendige Ergänzung der gemeinsamen Anstrengungen!

Neben der ideellen Ebene von gesellschaftlicher Anerkennung benötigen Antirassistische Jugendinitativen auch eine materielle und damit auch politische Anerkennung: Finanzielle Unterstützung, die Jugendinitiativen Mittel unbürokratisch und kleinteilig zur Verfügung stellt, wären in jedem Haushalt immer möglich und würden im Alltag von Jugendinitiativen eine wesentliche Unterstützung darstellen (100 - 500 Euro Sofortförderung für Flyer und Plakate, Zeitzeugen einladen, Demonstration durchführen, Transparente malen, Schultag gegen Rassismus machen, Party organisieren etc. )

Darüber hinaus ist in selbst organisierte Strukturen Jugendlicher zu investieren und sind ihnen Räume zur Verfügung zu stellen. In ländlichen Gegenden, in denen die einzige jugendkulturelle Aktivität der Kameradschaftsabend der lokalen Neonazigruppe ist (die nebenher bemerkt recht gut finanziell ausgestattet sind), hat Demokratie einfach nicht viele Chancen.

Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem
Rechtsextremismus und Rassismus sind gesamtgesellschaftliche Probleme. Das wird oft betont, es scheint jedoch, dass die Dimension dieses Satzes offensichtlich nicht klar ist. Rechtsextremismus und Rassismus sind kein von der Jugendarbeit produziertes und auch kein von der Jugendarbeit lösbares Problem. Darin sind sich hoffentlich immer noch alle einig.

2. Verhinderung Rassistischer Öffentlicher Diskurse und Verhaltensweisen / administrativen Praxen

Die Vorbildrolle von politischen Verantwortungsträgern (Landespolitikern, Bürgermeistern, lokalen „Meinungsträger“ aus den Vereinen, Parteien, kulturellen Einrichtungen, Verwaltungen und lokalen
Wirtschaftsunternehmen) und der Polizei z.B. im Umgang mit Migranten, Flüchtlingen und Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe sei hier noch einmal kurz erwähnt. Unsere Erfahrung lehrt uns, dass jede diskriminierende öffentliche Diskussion oder Meinungsäußerung und jedes diskriminierende Verhalten durch öffentlichen Autoritäten antirassistisches Engagement nachhaltig untergräbt, so wie jede öffentliche Meinungsäußerung und jedes Verhalten, dass Menschenrechte in den Vordergrund stellt und sich klar gegen Rassismus abgrenzt, in einer alltäglichen antirassistischen Arbeit unterstützt.
Mit einigen Initiativen in Kommunen wie in Potsdam und Cottbus gab es solche positiven Beispiele: Politiker bekennen sich hier zu Asylsuchenden, holen sie aus isolierten Waldlagern in Wohnungen in der Stadt und vergeben Bargeld statt Lebensmittelgutscheinen. Das sind deutliche Zeichen. Öffentliche Polizeirazzien gegen sämtliche Reisende mit schwarzer Hautfarbe in Regionalzügen, wie auf dem Bahnhof Strausberg Vorstadt im November 2006 sind lebendige Gegenbeispiele.

Festzustellen gilt weiterhin: Zivilgesellschaftliches Engagement und antirassistische Jugendarbeit sind ohne gesetzgeberische Rückendeckung, wie z.B. einem Anti-Diskriminierungsgesetz und der rechtlichen Gleichstellung aller in Brandenburg lebenden Menschen -eben auch der Asylbewerber- in ihrer Wirkungsweise immer beschränkt.

3. Soziale Situationen thematisieren

In den letzten Jahren, seit der sog. soziale Sektor der Bundesrepublik durch diverse Reformen umgestaltet wird, wird soziale Unzufriedenheit immer stärker empfunden und auch offen thematisiert. So gehören u.a. Hartz IV Proteste auch in Brandenburg zu einem Alltag, wie auch die Frage danach, wie und wer unsere Gesellschaft gestaltet, wie und wer über die Lebensqualität bestimmt, wessen Interessen gehört werden und wessen Interessen sich durchsetzen.

Herausgefordert werden nun alle Demokraten und zivilgesellschaftlich Engagierten durch eine sog. nationalrevolutionäre Diskussion die aus der Kameradschaftsszene sowie dem Neonazi-Parteispektrum verstärkt eingebracht und unter Jugendlichen verbreitet wird.
Geschickt gehen hier Neonazis argumentatorisch auf die soziale Verunsicherung ein, beantworten sie mit einer Betonung der Regionalität und des Versprechens nationaler Solidarität. Die rechtsextreme Propaganda schafft es, stupiden Rassismus, subjektiv empfundene Unsicherheiten durch Globalisierungsfolgen und reale Erfahrungen von sozialer Verarmung oder sog. sozialem Abstieg mit – bitte verzeihen Sie mein zitieren aus Neonazi Propaganda - „Ethnopluralismus“ statt "Multikulti" und "nationaler Solidarität" statt "Internationales Kapital und ihre Helfershelfer in der Bundes/Landesregierung" zu beantworten.

Antirassistische Aktivitäten können hier inhaltlich nicht mehr auf der Ebene Interkulturellen Lernens, verkürzter Antirassistische Bildung oder der (z.B. vom Bundesprogramm Civitas geförderten) "Demokratie- und Toleranzerziehung" verharren. Antirassistische Jugendarbeit muss sich an diesen Punkten mit sozialer und ökonomischer Verantwortung auseinander setzen. Nicht nur mit der Frage nach Gleichberechtigung durch Nicht-Diskriminierung, sondern auch mit der Frage nach den materiellen und ideellen Ressourcen und Zugängen für eine wirkliche Gleichberechtigung aller Menschen - sowohl in Brandenburg als auch darüber hinaus.
Wird diese Frage, die sogenannte soziale Frage, so wie bisher in der "Gegen Rechts- und Antirassismus-Debatte" ausgespart, so werden sich rassistische, ausgrenzende und inhumane Erklärungsmuster zunehmend in der Weltsicht Jugendlicher in Brandenburg durchsetzen.

Knut-Sören Steinkopf